Fußgängerzone und Öffnung der Innenhöfe in Klagenfurt - Kärntens beste Bauten

Fußgängerzone und Öffnung der Innenhöfe in Klagenfurt

„BESTÄNDIGE ARCHITEKTUR- UND BAUQUALITÄT“ SONDERPREIS DES FACHBEIRATES FÜR BAUKULTUR 2024

Architektur: Gerburg Leberl und Eberhard Kraigher



Jurybegründung

Begründung: Werner Kircher, Vorsitzender FB für Baukultur des KKG

Eine Stadt wird oft mit einem lebendigen Organismus verglichen, der nicht funktioniert, wenn einzelne Zellen unkontrolliert wachsen und den Organismus stören oder zerstören. Der Verlust eines qualitätvollen Objektes durch Abriss ist offensichtlich, doch der unsichtbare, schleichende Prozess der Zerstörung wirkt radikaler. Seit der Industrialisierung haben sich historisch gewachsene Städte zunehmend entflechtet, was zu weitreichenden Folgen führte. Klagenfurt, mit seiner mittelalterlichen Kernstadt und der Renaissance-Neustadt, erging es nicht anders. Der wachsende Individualverkehr führte 1961 zur Sperrung von Wienergasse, Kramergasse und Arthur-Lemisch-Platz, was die erste Fußgängerzone Österreichs begründete. In den folgenden Jahren wurde das Verkehrsaufkommen so groß, dass weitere Fußgängerzonen und Einbahnsysteme notwendig wurden. Die Kaufmannschaft und politische Parteien begrüßten 1961 die erste Fußgängerzone, doch beim Vorhaben, diese auf den Alten Platz auszuweiten, gab es Widerstand. Nach fünf Jahren wurde das Projekt 1970 trotz heftiger Opposition umgesetzt.

Im Stadtentwicklungsplan 1989 („Perspektive 2000“) setzten DI Eberhard Kraigher und DI Gerburg Leberl weitere Meilensteine: Renaissancehöfe sollten geöffnet und durch Gastronomie und Handel belebt werden. Ein Fassaden- und Hofkataster wurde erstellt, um historische Objekte zu revitalisieren und wertzuschätzen. Wichtige Aspekte des Plans waren der Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur und die konsequente Grünraumentwicklung.

Der Plan stellte Qualitäten und Mängel der Stadt präzise dar und verknüpfte Fördermittel mit baulichen Anforderungen. So wurden vor Jahrzehnten nachhaltige Schritte zur Belebung der Innenstadt eingeleitet. In den letzten zehn Jahren stieg die Einwohnerzahl im Zentrum von Klagenfurt um 95%, die der gesamten Stadt um 15%. Die Bevölkerung zieht wieder in Ballungsräume, wo Arbeitsplatz, Infrastruktur und soziale Angebote vorhanden sind. Um diesen Lebensraum zu sichern, brauchen wir weitsichtige Planung und interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Dank an Gerburg Leberl und Eberhard Kraigher

DI Gerburg Leberl und DI Eberhard Kraigher haben entscheidend zur Stadtentwicklung Klagenfurts beigetragen. Unter ihrer Leitung entstanden der Stadtentwicklungsplan 1989 und die Ortsbildschutzverordnung. Leberl, die sich besonders für die Altstadt engagierte, erstellte Gutachten und war auch in der Radwegplanung und im Landschaftsschutz tätig. Klagenfurt erhielt unter ihrer beider Ägide dreimal den „Europa-Nostra-Preis“ für herausragende Altstadtsanierung. Leberl wurde 2024 als eine von sechs Kärntner Pionierinnen geehrt, Kraigher erhielt 2014 das große Ehrenzeichen des Landes Kärnten.

Appell an die Zukunft

Politische Entscheidungsträger brauchen Mut, unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen: den Individualverkehr zugunsten von Fußgängerzonen zu reduzieren, Leerstand intelligent zu nutzen, Erdgeschosszonen zu beleben und grüne sowie blaue Infrastruktur zu bauen. Klagenfurt wurde 2022 von der Europäischen Kommission als eine von 100 Klima-Vorzeigestädten ausgewählt. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bedarf es eines koordinierten und zielgerichteten Vorgehens in der Verwaltung und Stadtregierung.

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